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Le nozze di Figaro – Sommerfrische im Winter

Man kann die Inszenierung von Jürgen Flimm und Gudrun Hartmann von Mozarts Nozze di Figaro schon als einen Klassiker an der Staatsoper in Berlin bezeichnen. Premiere hatte sie doch schon 2015 und verlegt die Handlung in ein spanisches Sommerambiente. Ohne großen doppelten Boden und relativ nahe an der Handlung verläuft die Oper doch sehr linear. Die Trennung der Stände scheint aufgehoben und alle agieren auf gleichem Niveau. Letztlich siegt bei des Grafen Einwurfs „Contessa, perdono!“ am Ende Mozart über alle klamaukigen Szenen mit Sonnenstühlen und Koffern. Dass in der Berliner Staatsoper gespart werden muss, könnte man jetzt spöttisch sagen, merkt man an den Temperaturen im Parkett und man ist gut beraten mit einer Stola. Dass man sowohl die beiden tragenden Rollen der Susanna (Maria Kokareva) und des Cherubino (Rebecka Wallroth) mit Mitgliedern des Opernstudios besetzt, ist mutig, funktioniert aber bestens. Schon in der Ausweichspielstätte Schillertheater fand die Premiere statt. Dass der Abend überhaupt stattfinden konnte ist auch durch Katharina Kammerloher möglich, die kurzfristig die Rolle der Marcellina übernah.
Zur Ouvertüre kommen die Protagonisten über einen Steg des Orchestergrabens und mit Koffern auf die Bühne. Die Truppe sieht etwas aus, wie die Sommerfrischler aus den 1930er Jahren. Susanna mit roten Locken cremt sich in einem Sonnenstuhl genüsslich ein, was sicher bei der sonnenempfindlichen Haut – bedingt durch die Haarfarbe – ratsam ist. Cherubino ist der verpeilte Nachzügler in der Truppe, der sicher schon wieder mit Frauen beschäftigt war. Figaro vermisst auf der linken Seite ein zerlegtes Bett, das während der Handlung noch ganz zusammengebaut wird. Der Graf hat listigerweise Susanna und Figaro ein Zimmer nahe seiner Kammer gegeben mit gewissen Gründen. Es geht in dieser Oper nämlich um das Recht der ersten Nacht, das die edlen Herren von ihren weiblichen Bediensteten einfordern konnten. Der Graf gibt sich nach außen hin modern, dass er auf dieses Recht verzichtet, stellt aber in der Oper doch Susanna nach. Figaro soll als Botschafter nach London gehen. Es tritt Bartolo mit Marcellina auf, die Figaro nachstellt, der ihr die Ehe versprochen hat. Sie setzt sich den Brautschleier auf und tanzt Tango mit Bartolo. Es kommt zum Streit um den Brautschleier zwischen Susanna und Marcellina. Cherubino hat eigentlich ein Lied für die Gräfin verfasst. Er wurde aber frisch mit Barbarina erwischt, der Tochter des Gärtners. Der Jüngling ist verzweifelt der Graf will ihn entlassen und er bittet Susanna um Hilfe. Bevor der Graf hereinkommt, versteckt sich Cherubino. Der Graf kommt herein und wird Susanna, die in einem Sonnenkorb sitzt, zudringlich. Das alles beobachtet Cherubino, wird aber vom Grafen entdeckt. Der wiederum ruft das ganze Schloss zusammen, das in Form eine Lobpreischores auf den weisen Grafen eintrifft. Dem Grafen ist Cherubino als Mitwisser eine Last, er befördert ihn zum Offizier und schickt ihn ins Feld. Er bekommt eine Flinte, Offiziersjacke und einen Dreispitz und wird von Figaro spöttisch verabschiedet.
Jetzt erst kommt eine traurige Gräfin auf die Bühne mit Hütchen und Pumphosen. Tief gekränkt sitzt sie auf den Koffern. Susanna will der Gräfin helfen, dass der Graf wieder zu ihr zurückkommt. Jetzt ist es etwas kompliziert, da in dem Moment viele Leute auf der Bühne sind, die nicht hingehören. So flirtet Cherubino wieder mit Barberina. Cherubino soll als Mädchen verkleidet für Susanna ein Stelldichein mit dem Grafen machen. Mit Kleidern, Puder und Rouge verwandelt man Cherubino in einer Doppelverkleidung zur Cousine Barberinas. Gestört wird dieser Plan aber wieder vom Grafen, der Cherubino in den Schrank flüchten lässt. Der Graf will nun von der Gräfin wissen, wer im Schrank ist und beschließt diesen Schrank aufzubrechen. In einem Moment, als der Graf und die Gräfin aus dem Raum sind, tauschen Susanna und Cherubino die Plätze. Die Szene fordert vom Grafen auch etwas akrobatisches Können, da er den Koffer besteigen muss. Dass Cherubino aus der Tür springt und diese dann selbst wegbewegt, ist einer der witzigen Einfälle der Inszenierung. Schließlich gibt die Gräfin zu, dass Cherubino im Schrank ist. Dann kommt zur Überraschung aller Susanna aus dem Schrank. Jetzt kommt der Gärtner mit einer Schubkarre mit geknickten Pflanzen und beschwert sich, dass jemand vom Balkon gesprungen ist. Jetzt kommen Marcellina, Bartolo und Basilio und fordern die Hochzeit von Figaro. Zum Schluss-Septet des zweiten Aktes schubsen sich die Protagonisten, während Cherubino schon wieder Barberina nachstellt.
Im dritten Akt sinniert der Graf im Bademantel über die Geschehnisse. Wieder wird er Susanna zudringlich und verheddert sich im Sonnenstuhl. Er robbt förmlich Susanna hinterher. Unterdessen stellt Cherubino weiter Barberina nach, die er im Schubkarren über die Bühne fährt. Die Bühne ist nun frei für eine Gräfin, die ihren Kummer im Sekt ertränkt. Es erscheinen Marcellina und Basilio und fordern die Heirat ein. Nun erkennt Marcellina am Mal aber den eigenen Sohn, sodass eine Hochzeit nicht mehr möglich ist und Figaro von dem Vertrag entbunden. Figaro wäre eigentlich Raphael und der Sohn einer gemeinsamen Affäre. Die Gräfin diktiert nun Susanna ein Liebesgedicht und man ist berührt, wie die Stimmen der beiden Darsteller sich gleichen. Kein Wunder, dass das anschließende Verwechslungsspiel auf einer Düne klappt. Susanna hilft beim Plan mit einem Brief und einer Nadel, die den Brief versiegelt und die der Graf wieder zurücksenden soll, wenn er die Nachricht erhalten hat, sozusagen der blaue Haken an der Nachricht. Es kommt ein Damenchor mit Cherubino, die wieder dem Grafen huldigen. Es findet dennoch ein Ball statt, bei dem zwei weiße puppenhafte Darstellerinnen die den Hochzeitstanz eröffnen.
Der letzte Akt spielt nun ganz auf einer hohen Düne samt blauer Umkleidekabine. Leider hat Barberina die Nadel irgendwo auf der Düne verloren, die zu Susanna zurücksoll. Barbarina verplaudert sich und Figaro erfährt von dem Treffen auf dem Hügel und ist außer sich. An dem Hügel ist jetzt einiges los. Der Susanna und die Gräfin tauschen ihre Kleider. Jetzt ist aber Cherubino erneut lästig, der nun der vermeintlichen Susanna zudringlich wird. Der Graf geht nun dazwischen. Die vermeintliche Susanna nimmt unterdessen in einem Korb einen Ring an. Figaro sieht die Szene und klagt nun bei der vermeintlichen Gräfin, wie er vom Grafen jetzt betrogen wurde. Er erkennt aber Susanna und wird frech, hantiert an deren Fuß, bis er eine Ohrfeige bekommt. Die vermeintliche Susanna ist kurz hinter dem Hügel verschwunden, bis das Volk ankommt. Nun gibt sich die vermeintliche Susanna als Gräfin zu erkennen, verzeiht aber dem Grafen. Der Dünenhügel verschwindet und alle packen ihre Koffer und reisen aus dem Domizil ab.
Es ist eine federleichte Sommerinszenierung, die man vielleicht schnell vergessen hat. Dennoch hält man sich erstaunlich genau ans Textbuch, auch in der Inszenierung und macht keinen doppelten Boden mit einer neuzeitlichen Deutung. Etwas verpasst hat man die Chance, die Diener und die Herren auf unterschiedlicher Ebene agieren zu lassen. Sowohl von der Kleidung, als auch räumlich, gibt es keine Trennung zwischen den Ständen. Jedoch triumphiert am Ende Mozart über einige klamaukige Einfälle. Dennoch war es im Saal ziemlich leer und reichlich kühl für so ein sommerliches Setting. Finnegan Downie Dear leitete mit wunderbaren Tempi durch den Abend, die den Ensembles Raum und Zeit gibt sich zu entfalten. Öfters hat man den Eindruck, der lässt bewusst Pausen zwischen den Nummern-Arien der Oper zum Durchatmen. Das Räderwerk der Mozartstimmen hat er jedenfalls perfekt am Schirm, eine wahre Wohltat.
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