La Bohème - In der Nachkriegszeit
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
Ein großes Opernhaus braucht eine Bohème im Programm. Nachdem auch das Bühnenbild der alten Inszenierung einen Wasserschaden hatte, wurde eine neue Aufführung aufgesetzt. Das ungarische Duo Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy inszenieren in Nürnberg eine Bohème in den Nachkriegsjahren in Paris. Gerade in den heutigen Tagen scheint diese Oper ein Plädoyer für die Lebensfreude einer Stadt, mit ihren vollen Cafés und Bars. So steht auch im Programmheft ein Bekenntnis zu Paris: Je suis Paris. Zu Beginn sieht man die Hauptperson Mimi in ihrem Zimmer im rechten Bühnenrand. In dem linken sieht man die Wohn-WG der Pariser Boèhme: Ein Dichter, ein Musiker, ein Maler und ein Philosoph haben es sich an einem Ofenfeuer gemütlich gemacht. Am Tisch sitzt auch ein leicht bekleidetes Model für den Maler vermutlich. Gegen die Kälte verschüren sie ein Manuskript des Dichters Rodolfo. Sie hoffen, dass das hitzige Drama in Form von Papierseiten, auch die kalte Dachwohnung beheizen mag. Aber in Form des Hausvermieters droht nun Unheil, der seine Miete für das nächste Quartal fordert. Der Hausbesitzer wird mit dem Hinweis auf Untreue von einer eigenen Frau aus der Wohnung getrieben. Bis auf Rodolfo, der noch einen Artikel fertig schreiben will, gehen die anderen schon vor in Café Momus. Nun kommt Mimi mit einer erloschenen Kerze und auf der Suche nach ihrem Schlüssel in die Wohnung. Nun aber fängt Rodolfo Feuer für die kleine Näherin Mimi. Sie stellen sich einander vor und verlieben sich ineinander. Am Ende nach vielen schönen Arien gehen sie durch einen roten Mauervorsprung in Richtung Café Momus. Gerade wie sie da aus dem Hintergrund noch singen, ist sehr schön gemacht.
Im zweiten Akt der Boèhme geht es erfahrungsgemäß turbulent zu. Vor dem Café Momus findet sich eine Kinderschar ein, die nach einem Spielwarenverkäufer Parpignol ruft. Der kommt mit einem Dreirad, an den er Spielsachen gebunden hat, auf die Bühne und wird hier etwas als Clochard dargestellt. Das Café Momus ist eine American Bar mit angeschlossenem Freudenhaus. Mimi wird an einem Tisch rechts vorn auf die Bühne in den Kreis der Bohème aufgenommen. Dann erscheint ein seltsames Paar auf der Bühne. Musetta und der Staatsrat Alcindoro, den sie wie einen Hund an der roten Leine Gassi führt. Auf allen Vieren muss der hohe Angestellte vor dem Café vor den Gästen rumkriechen. Man bekommt aber recht schnell mit, dass sich Musetta und der Maler Marcello einmal gut verstanden haben und immer noch lieben. Schnell wechselt die leichtfüßige Musetta die Seiten und geht wieder zu ihrem Liebhaber. Dem Staatsrat bleibt es nur übrig, die offenen Rechnungen der Künstler zu zahlen.
Im dritten Akt sieht man die Wohnung der Dichter mit Stoff verhangen, ein nadelloser Tannenbaum steht in der Mitte der Wohnung und signalisiert: Weihnachten ist längst vorbei, wir haben Februar. Der Ort ist auch ein anderer: Es soll eine Schenke sein. Marcello und Mimi reden über die komplizierte Beziehung zu Rodolfo, der chronisch eifersüchtig ist. Marcello sagt nun, dass er sich um Mimis Gesundheitszustand sorgt. Sie hätte einen beängstigenden Husten. Aber auch zwischen Musetta und Marcello läuft es nicht zum Besten. Musetta würde in der Bar, in der sie seit einem Monat arbeiten, immer wieder mit den Gästen flirten, sodass am Ende des Aktes alle Paare sich wieder trennen.
Im vierten Akt wird es nun etwas schwer verständlich. Gerade in den Erinnerungen schwelgend, vergreifen sich die vier Künstler in weißen Kitteln an einem Model, das wieder in ihrer Wohnung ist. Die gezeigte Brutalität der Männer will in keinster Weise in dieses friedliche Künstlermilieu passen. Da platzt plötzlich Musetta rein und bringt die entkräftete Mimi mit. Sie hätte nur noch eine halbe Stunde zu leben, so die Diagnose. Man versucht aber dennoch, eine herzstärkende Medizin zu bekommen und einen Muff gegen ihre kalten Hände. Dennoch ist der Einsatz der Freunde vergebens. Mimi stirbt und den verzweifelten Rufen von Rodolfo. Am Ende sieht man noch einmal das leere Zimmer von Mimi, in das scheinbar die Sonne scheint und der April angebrochen ist, auf den sie so sehnlichst gewartet hat.
Spielen lässt das Regieteam diese Bohème im Paris der Nachkriegszeit, gerade das Café Momus als American Bar mit obenliegendem Bordell ist mit einer großen Glasfront sehr gut in Szene gesetzt. Auch das Elend dieser Tage will gut zum düsteren Grundbild passen. Die Kostüme sind eben auch in diese Zeit gesetzt, sodass die Inszenierung im Grund gefällt. Mit einer bezaubernden Mimi (Hrachuhi Bassénz) und einem Rodolfo (Ilker Arcayürek), der immer etwas mit seiner Stimme kämpft, hat man ein sehr eindrucksvolles Paar auf der Bühne. Gerade Rodolfo hat sicher noch Potenzial, wie man in den lyrischen Solostücken des ersten Aktes gut merkt. Auch Musetta (Michaela Maria Mayer) als Flittchen ist prima umgesetzt und der Regieeinfall mit der Hundeleine etwas belustigend. Wie gesagt, von dem vierten Akt abgesehen, ist das eine durchaus schöne Inszenierung. Gábor Káli liefert eine gute Leistung im Orchestergraben ab, weshalb man die Aufführung durchaus empfehlen kann.
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