Game Of Lohengrin
David Hermann inszeniert im Staatstheater Nürnberg einen Lohengrin von Richard Wagner in einer Fantasy-Welt im Stil von Game of Thrones. Jo Schramms Installation von langen Mikado Stäben gehört dabei zu den guten Einfällen, denn diese bildet immer wieder neue Räume, trennt das Volk von den Hauptdarstellern, bildet Gassen, Korridore, Kirchenräume. Ansonsten setzt man, mit sparsamem Bühnenbild, ganz auf die Wirkung der Kostüme von Katharina Tasch. Diese lässt die Mannen von Brabant als Barbaren auftreten, die dem Wodan-Kult huldigen. Als Gegenspieler dienen die rekrutierten Soldaten von König Heinrich, die als Knappen daherkommen. Die sieben Gefolgsleute sehen dabei etwas aus wie aus dem Playmobillager von Zirndorf, mit ihren Schildern und den Prinz-Eisenherzfrisuren. Dagegen hüllt man die Gralsritter in rotes Leder und mit ihren Paillettenhosen könnten sie einer Star Wars Saga entsprungen sein.
Während des Vorspiels zum ersten Akt öffnet sich für einen Moment der Vorhang. Man sieht die Ritter der Gralsrunde um einen futuristischen, runden Tisch stehen. Im Bühnenboden in der Tischmitte versinkt dabei ein Mädchen. Parsifal, der im Folgenden immer wieder die Geschehnisse beeinflusst, wurde der Handlung hinzugefügt als stummer Akteur. Er erinnert Lohengrin an sein Schweigegelübde. Das ist die Regel der Gralsritter, sobald sie sich zu erkennen geben müssen, müssen sie den Ort verlassen. Man sieht Lohengrin aufbrechen zu seiner Mission nach Brabant und der Vorhang schließt sich wieder. Nach dem Vorspiel kommt König Heinrich auf der Bühne, der mit seinem Mantel, der schwarzen Krone und der Glitzerhose, der etwas aussieht, wie aus einem Comic entsprungen. Der Heerrufer mit seiner Taube könnte dagegen glatt in Dietfurt beim Chinesenfasching auflaufen. Man kann also einen bunten Stilmix an Zeiten ausmachen. Als jetzt eine Art zweistöckiger Verschlag-Wagen reingefahren wird, befindet sich darin Elsa von Brabant. Die ersten Latten muss man noch vorsichtig entfernen, als sie ihre erste große Arie anstimmt. Die anderen Latten nimmt sie selbst weg und entsteigt dem Gefährt. Sie wird von ihrem Ziehvater und Verwalter des Erbes von Brabant Telramund des Brudermordes angeklagt. Telramund in seinem Netzhemd und seine Frau Ortrud, die etwas an die Figur der Maleficient erinnert, sind die Bösen im Spiel, die dem Kult um Wodan anhängen. In einem Traum hat Elsa einen Ritter gesehen, den sie jetzt anruft, um ihr zu helfen. Nach zweimaligen Rufen erscheint tatsächlich Lohengrin. Der Schwan, auf dem er ankommen soll, wird dabei durch die schwingenden Stäbe angedeutet. Aber der Retter stellt Bedingungen: Nie solle Elsa fragen, wie er heißt und wo er herkommt. Schon zwei Akte später soll Elsa dieses Gelübde brechen, doch jetzt kämpft er erst mal für sie. König Heinrich fordert ein Gottesgericht ein, wo Lohengrin und Telramund antreten müssen. Aus dem Bühnenboden kommen nun Wodan und Parsifal und streiten synchron mit Telramund und Lohengrin. Die Klingen berühren sich dabei nicht wirklich, wie abstoßende Magneten stehen sie wenige Zentimeter von einander entfernt. Es siegt letztlich Lohengrin und Parsifal. Ortrud und Telramund sind entehrt und müssen hinter die Stangenwald flüchten.
Im zweiten Akt sammeln sich nun die Verschwörer. Während hinter den Stäben laut der Sieg gefeiert wird, gibt es eine abgebrannte Esche zu sehen. Um den Baum herum liegen tote Raben, die ein Seherdouble von Ortrud in einen schwarzen Sack einsammelt, wie eine Flaschensammlerin. Wenn Ortrud nun ihr Seherauge bemüht, was das Geheimnis des Ritters ist, greift sie auf dieses Double zurück. Sie beschwört dabei Wodan, der auch prompt wieder aus dem Bühnenboden kommt. Die Weltesche scheint derweil mit einem Fahrwerk ausgestattet und wir zur Seite gefahren. In einer langen Sequenz bittet nun Ortrud um Einlass bei Elsa. Die Braut ist so naiv und gibt nach und lässt sie ein. Ortrud setzt nun gezielt ihr Gift ein, dass Elsa doch sicher wissen wolle, wer am folgenden Tag ihr Mann wird. Vor der Kirche soll es zum Eklat kommen und Telramund bezichtigt Lohengrin der Zauberei. Das Volk sammelt sich sehr pittoresk in einer stilisierten Kirche. Passend zur Orgelmusik lässt man am Bühnenrand die Orgelpfeifen herunter. Man sieht Brautjungfern, das Volk und auch ein Quartett von vier poppigen Edelknaben als Engel mit Sneakers und silbernen Flügeln. Die stehen jetzt mit ihren goldenen Handschuhen flatternd Elsa zur Seite und laufen lustige Formationen. Sie bilden einen Gegenpart zu den vier Edlen, die als Barbaren daherkommen. In dem Tumult vor der Kirche sollen die Edelknaben aber gerupft werden und ihre silbernen Flügel verlieren. Auch Elsa geht es schlecht, sie wird wieder von Wodan in den Schwitzkasten genommen, bis endlich ihr Angetrauter eingreift und Ortrud und Telramund vertreibt. Die Hochzeitszeremonie kann nun beginnen, doch in einem Lichtkegel triumphiert schon Ortruds Alter Ego vor der Kirche.
Der dritte Akt beginnt mit einem Saufgelage von Wodan mit seinen sechs Walküren. Wahrscheinlich hatten die anderen drei Walküren gerade Freigang. Auf einem Tisch liegt ein gebratenes künstliches Schwein, aus dem Wodan immer wieder Stücke reißt. Die Holzkrüge für den Met werden dabei immer größer. Zwei Engel aus dem zweiten Akt haben sich scheinbar erholt und vertreiben Schwein und Walküren. Schließlich kugelt Wodan stockbetrunken zum Brautmarsch auf der Bühne. Die Hochzeitgesellschaft trägt in Einzelteilen ein weißes Ehebett herein, das sie nun für Lohengrin und Elsa zusammenbauen. Dabei liegen sie mit ihrer grauen Bettwäsche voll im Einrichtungstrend. Elsa zieht ihr Brautkleid aus und man kommt im Ehebett recht schnell zur Sache, aber halt… Da war ja noch das Problem mit dem Namen. Elsa spielt nun unter dem Bett etwas Verstecken, dreht aber das Wort so lange, bis sie Lohengrin nach ihrem Namen fragt. Dabei schleicht sich im Brautgemach immer Parsifal und Wotan mit Telramund rum, das kann nicht gut gehen. Parsifal ermahnt Lohengrin stumm, seine Herkunft nicht Preis zu geben und mischt sich nervös ein. Im entscheidenden Moment versucht nun Telramund einen Mordanschlag, worauf ihm Lohengrin das Genick bricht. Am kommenden Tag muss der Held seine Herkunft zu erkennen geben. Er klagt nun vor König Heinrich, dass man ihn fast ermordet hätte. Außerdem hätte seine Frau nun doch wissen wollen, wie er heißt. In der Gralserzählung sagt nun Lohengrin, wie er heißt, wobei das Volk hinter den Stangen ausgeschlossen wird. Es erscheinen drei Gralsritter mit Horn, Schwert und Ring und ziehen Lohengrin nach der Offenbarung fort zum Gral. Zu den Schlussklängen kommen noch mal Wodan und Parsifal aus dem Boden. Der Göttervater erweckt Telramund zum Leben, der als Untoter mit Ortrud zusammen über Brabant herrscht und den hölzernen Thron besteigt. Bruder Gottfried bleibt verschollen.
Aus meiner Sicht viel Licht und Schatten in dem Lohengrin in Nürnberg. Zunächst schafft es Joanna Mallwitz wunderbar, einen flüssigen Wagner zu dirigieren. Von der Geschwindigkeit geht sie dabei mit großem Chor und Orchester ein hohes Tempo ein. Das wurde von der Kritik her sehr gelobt, dennoch leiden vor allem die Stellen der Ortrud etwas, die in ihrer Gemeinheit etwas mehr Zeit benötigt, ihre Fiesheit auszukosten. Das Bühnenbild ist wirklich eine Sensation und setzt ganz auf die Wirkung der Stäbe und der Kostüme dazu. Eric Laporte als Lohengrin war für mich an dem Abend die Entdeckung, denn er singt einen sauberen, funkelnden Helden. Die wahren Gewinner des Abends sind aber Martina Dike als Ortrud und Sangmin Lee als Telramund. Ortrud, die bisweilen, schrill durch das Tempo, an ihre Grenzen geht und die Spielfreude von Telramund in seinem Netzhemd. Kein Wunder, dass die Regie die Bösen am Ende über den gescheiterten Lohengrin triumphieren lässt. Man hat sich mit den Figuren von Wodan und Parsifal etwas einfallen lassen, die normalerweise nur Erwähnung finden, selbst aber in die Handlung als Personen nicht eingreifen. Die Geschichte als Religionskonflikt zu erzählen, greift ein Detail aus dem zweiten Akt auf, als Ortrud Wodan beschwört. Ob das damit ein schlüssiges Ganzes wird, sei dahingestellt.
Quelle: YouTube | Staatstheater Nürnberg
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Quelle: Soundcloud | Staatstheater Nürnberg
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