Die Hugenotten und das Pferd
Auf diese Hugenotten in Nürnberg muss man gut vorbereitet sein. Das Konzept von Tobias Kratzer ist leider nicht bei jedem angekommen, zumindest die lokale Presse fand an der Idee, die Geschichte der Hugenotten im 20. Jhd. starten zu lassen, und zwar in einem Maleratelier, nicht besonders gelungen. Martin Berner als Maler und gleichzeitig als handelnde Person des Grafen Nevers spielen zu lassen, ist der Angelpunkt der Inszenierung. Das führt dazu, dass er ständig auf der Bühne präsent ist. Man könnte das auch als Spukstunde in einem Maleratelier sehen, bei dem sich die gemalten Bilder verselbstständigen und zum Leben erwachen. Der Maler wird dabei immer mehr in seine Bilderwelt gezogen und hat am Ende im letzten Akt selbst ein historisches Gewand an. Dadurch gelingen die Bilder als große Tableaus aufzubauen, was Ziel einer Grand Opera ist und mit der nötigen Distanz zu sehen.
In der Ouvertüre versucht sich der Maler an einer biblischen Szene, dem Bild von Kain und Abel. Ihm will so recht kein Bild gelingen, er schickt die Modelle weg. Dann treten Leute in Alltagskleidung auf die Bühne. In Kartons werden historische Gewänder herausgezogen und man verkleidet sich. Aufgebaut wird ein Bankett, das der Maler nun festhalten will. Die feiernde Menge will Geschichten über die Liebe hören. Da erzählt der Hugenotte Raoul seine Begegnung mit einer schönen Frau. Diese schöne Frau ist zufällig Nevers verlobte und Tochter des Hugenottenhassers Graf de Saint-Bris. Valentine ist aber nur gekommen, um die Verlobung mit Nevers zu lösen, die ihr Vater eingefädelt hat. Dies missversteht nun Raoul, weshalb es in der Folge zu Verwicklungen kommt. Raoul bekommt am Fest eine Einladung von der Schwester des französischen Königs Maguerite. Mit einer blauen Flugzeug-Schlafbrille wird er zur Königin geführt. Es werden Teppiche ausgerollt und es nehmen die Hofdamen Platz auf der Bühne. Die Königin Marguerite ist dabei gekleidet wie Joan Sutherland, eine australische Opernsängerin, und sucht auch so lange in der Garderobe, bis sie ein ähnliches Kleid findet, dass auch Joan Sutherland 1990 in Sidney getragen hat. Die Rolle der Königin war eine Bravour-Nummer dieser Ausnahmekünstlerin und ohne Youtube, versteht man diese Anspielung nicht. Königin Marguerite ist mit Heinrich von Navarra verlobt, der ebenfalls Protestant ist. Sie hofft in Raoul einen Mann zu finden, der die Tochter des Anführers der Katholiken heiraten soll und so Frieden zwischen den Parteien stiften soll. Als Raoul erkennt, dass er die Tochter des Hugenottenhassers heiraten soll, lehnt er entrüstet ab und brüskiert damit die anwesenden Katholiken. Außerdem sieht er Valentine, so heißt die Schöne, noch an Nevers gebunden. Es kommt fast zur Auseinandersetzung, die die Königin gerade noch mal verhindern kann. Im dritten Akt kommen nun in der Sonntagszene wieder die verfeindeten Parteien zusammen. Jetzt ist es schon so weit, dass hinter den Bildern gleich die historisch angezogenen Hugenotten hervorkommen, der Albtraum nimmt also Fahrt auf. Zwei Zigeunerinnen lesen dabei die Zukunft aus Valentines Hand zur Ballettmusik. Eine davon hat eine Plastikziege dabei, aber auch die läuft schreiend von Valentine weg, als sie deren Zukunft erkennen. Zur Ballettmusik sieht man auch noch Einspielungen von Kriegsbildern aus dem Nahen Osten. Zur weiteren Steigerung brechen in der Nachtwächterszene mannsgroße Wasserspeier durch das Fenster des Ateliers. Diese werden dann von einem buckligen Nachtwächter gebändigt. Dazu passt dann auch, dass sich der Albtraum fortsetzt und Valentine dann wirklich Nevers heiratet. Die kommen nämlich gerade frisch aus der Kirche, was in der Inszenierung leider etwas untergeht. Die Hochzeit ist nämlich die Folge von Raouls Weigerung Valentine zu heiraten. Raoul ist in seiner Ehre gekränkt und fordert nun Saint-Bris zum Duell. Nevers und Saint-Bris wollen aber Raoul in einen Hinterhalt locken, dies hört nun Valentine mit und lässt Raoul warnen. Es kommt wieder zum Kampf der Rivalen, wobei die Königin hoch zu Ross die Widersacher trennt. Es könnte fast ein Bild des Malers Diego Velázquez sein (Königin Isabella von Frankreich zu Pferde), wie sie da hoch auf dem Kaltblüter Araxus über den kämpfenden Sonntagsgängern sitzt oder auch ein Zitat der Aufführung von 1968 mit Joan Sutherland in London. Raoul erkennt nun seinen Fehler und folgt Nevers und Valentine in sein Schloss, das heißt in dieser Inszenierung sein Atelier. Dort heizt ein gusseiserner Ofen. Das Loch im Ateliersfenster, das die Wasserspeier geschlagen haben, ist mit einer Plane zugedeckt. Auf dem Schloss des Grafen Nevers wird nun Raoul Zeuge, wie die Edlen um Saint-Bris über einer Stadtkarte von Paris, die Vernichtung aller Hugenotten mit Feuer und Pistolen. Es sind aber die Waffen der Neuzeit, die Saint-Bris-Anhänger nutzen. Als Zeichen ihres Glaubens malen sie sich ein weißes Kreuz auf die Stirn. In einer monumentalen Szenen werden die Waffen geweiht. Im Hintergrund sieht man durch das Ateliers-Fenster aber schon den Feuerschein der Bartholomäus Nacht. Nevers bekommt in dieser Fassung eine besondere Rolle, da er sich an einem Punkt dann weigert, die sinnlose Verfolgung mitzumachen. Er wird schließlich gefesselt und umgebracht. Im letzten Akt hat schließlich auch der Maler, als letztes historische Kleidung an. Er malt ein Actionbild in Rot, was seinen eigenen Tod durch die Anhänger von Saint-Bris darstellen soll. Im letzten Akt versucht nun Valentine, Raoul zu ihrem Glauben zu bewegen. Als sie nun bei Raoul scheitert, nimmt sie schließlich seinen Glauben an und wischt sich das weiße Kreuz von der Stirn. Raouls Diener Marcel nimmt eine provisorische Trauung vor. Als Kollateralschaden sterben nun in der Bartholomäus Nacht Raoul, sein Diener und Valentine durch den Kugelhagel von Saint-Bris.
Handelt es sich um eine überlebte Kunstform, die Grand Opera, wie die Nürnberger Nachrichten meinten? Mitnichten, finde ich nach doch vier langen Opernstunden. Im Don Carlos von Verdi lebt diese Form weiter. Die Musik setzt auf große Effekte, es gibt ein wunderschönes Duett zwischen Raoul und einer Viola d'Amore oder am Ende mit einem Bassfagott. Ob man nun wirklich ein echtes Pferd, echtes Feuer usw. braucht, sei dahingestellt. In jedem Fall ist es ein Sängerfeuerwerk, bei der Uwe Stickert als Raoul glänzen kann, ebenso wie Hrachuhí Bassénz als Valentine. Den spektakulärsten Auftritt hat sicher Leah Gordon als Margarete von Valois und Joan Sutherland-Double auf dem Pferd. Mit der Idee des Ateliers muss man eben warm werden, oder nicht. Interessant ist der Ansatz sicher, wenn man die Oper kennt. Für den Neueinstieg in das Werk stellt das eher eine Hürde da. Aber auch mit der Regie wird es zum Ende hin schwieriger, die Handlungen von Nevers noch schlüssig zu erklären, wobei das Ende eine klare Umdeutung ist, was ich immer heikel finde. Es gibt auch dramatische Momente zum Schluss hin. Wer aber Aufklärung um die Geschehnisse der Bartholomäus Nacht sucht, ist hier sicher fehl am Platz. Musikalisch gelungen, szenisch akzeptabel würde ich sagen.
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