Durch einen Zufall war ich in einer weiteren Aufführung in Bayreuth und habe dort einen Teil des Ringes sehen können. Es war Siegfried, der dritte Teil des Rings in einer Inszenierung von Valentin Schwarz. Diese Inszenierung war ja heftig umstritten in der Presse und Kritik. Mit einem erklärenden Einführungsvortrag und einer Kennerin der anderen Teile wurde dies aber ein durchaus unterhaltsamer Ritt durch die Handlung um das Neuschmieden des Schwerts Nothungs. Mit den Buhs vor allem am Ende des ersten Akts, will man natürlich die Regie treffen, nur die ist in der dritten Aufführung des Siegfried nicht mehr anwesend und der Entrüstungssturm trifft dann die Darsteller und Musiker, die das wahrlich nicht verdient haben. Wo lag nun eigentlich das Problem? Zunächst scheint Wagner in seinem Ring die Person des Jung-Hagen vergessen zu haben. Diese Person wurde hier neu eingefügt und ist das Rheinkind von Alberich in einem gelben T-Shirt. Dies erschließt sich einem natürlich erst mal nicht. Jung-Hagen ist eine stumme Person, die staunend immer die Handlungen von Siegfried beobachtet. In einer sogenannten ‚Coming-of-Age-Story‘ erlebt man ihn immer wieder beim Heranwachsen von Siegfried.
Im ersten Aufzug befindet man sich in einer Art Kindergeburtstag von Siegfried. Mit roten Buchstaben steht Happy Birthday über einem Kinderzimmer des Grauens. Man erlebt die emotionalen Erpressungsversuche von Mime, der das Rheingold-Kind und Siegfried betreut. Siegfried ist scheinbar wirklich ein Flaschenkind und hängt immer an Hochprozentigem. Dennoch spielt er auch mit Puppen in einer Art Puppenstube des Grauens, in der eine Puppe auch ein kleines Skelett ist. In der rechten Ecke steht ein Aquarium mit Wasser, in dem immer wieder mal Schwerter versenkt werden und auch sonst reichlich geplanscht werden darf. Etwas darüber ist eine Mikrowelle, die Mime dazu dient, den leckeren Brei hier in Form von Nudeln aus Pappbechern zuzubereiten. Siegfrieds Geschichte erzählt Mime aus einem Kasperletheater heraus. Mime hofft, dass Siegfried Fafner besiegen wird, der sich hier in der Inszenierung in einen alten Mann verwandelt hat, statt eines Drachens. Es kommt ein altersschwacher Wotan mit zwei Bodyguards zur Tür herein. Die Bodyguards scheinen sich während der nun folgenden Fragestunde zwischen Wotan und Mime zu langweilen und untersuchen die Wohnung Mimes. Es kommt zur Wette zwischen Wotan und Mime. Die drei Fragen nach den Geschlechtern, die in der Tiefe, auf der Erde und auf den Höhen wohnen, kann Wotan beantworten. Die Gegenfragen nach den Wälsungen, dem Schwert kann Mime noch beantworten. Er scheitert jedoch an der Frage, wer Nothung neu schmieden soll. Siegfried kommt nun aus dem Wald zurück in die Puppenstubenwelt von Mime. Es entsteht ein Verwirrspiel um das richtige Schwert, das schließlich aus einer Krücke Mimes gezogen wird. Man schließt einen durchsichtigen Vorhang und schließlich sieht man Siegmund beim Schmieden des Schwerts echten Funkenflug. Siegmund wird durch den Erfolg übermütig und zerstückelt mit dem neuen Schwert seine Puppen. Zudem steckt der aufgedrehte Siegfried den Kopf von Mime in die Mikrowelle und ins Aquarium. Mime erkennt, dass Siegfried der furchtlose Held ist, von dem Wotan gesprochen hat und überlegt einen Plan Siegfried das Fürchten zu lehren. Am Ende dieses Akts bricht die Unzufriedenheit des Publikums in einem wahren Buh-Orkan los.
Im zweiten Aufzug befindet man sich in der Penthouse-Wohnung von Fafner. Dieser ist ein alter Mann in einem Pflegebett, der von zwei 24 h-Krankenpflegerinnen betreut wird. Die Waldquelle ist eine Bar mit Eiswürfeln. Über einem Kaminfeuer sieht man ein Bild von Fasolt und Fafner hängen. Vor dem Kaminfeuer sind zwei Sessel für Alberich und Wotan. Wotan warnt Alberich vor seinem Bruder Mime, der es auf Fafners Ring abgesehen hat. Während die Handlung fortgeht, sitzen Wotan und Alberich in den Sesseln und beobachten, was passiert. Durch die Gardinen sieht man nun Siegfried und Mime in die Wohnung Fafners eindringen. Siegfried ist als Kind ständig hungrig und hat wieder eine Plastiktüte mit einer Nudelbox dabei. Siegfried vernimmt nun das Zwitschern eines Vogels, der durch eine der Krankenschwestern Fafners dargestellt wird. Mit schrägen Tönen wird er dem Waldvögelein aufdringlich, leider vermag er dessen Botschaft nicht zu entschlüsseln. Dazu muss er erst Fafner töten. Dies ist ein Leichtes, denn der alte Mann steht mit Rollator aus seinem Pflegebett auf und braucht von Siegfried nur umgeschubst zu werden. Nachdem Fafner besiegt ist, genehmigen sich Mime, Siegfried, Jung-Hagen und das Waldvögelein einen Schluck aus der Waldquelle mit vielen Eiswürfeln. Jetzt versteht Siegfried auch den Gesang des Vogels. Dieser Pflegevogel empfiehlt ihm, den Ring und den Tarnhelm aus dem Schatz Fafners zu nehmen. Zudem erkennt Siegfried nun die wahren Absichten Mimes, der ihn mit einem Giftpokal aus dem Weg räumen will. Erzürnt bringt Siegfried Mime um. Das Waldvögelein erstürmt eine abgeklebte Balustrade des Penthouses und weist Siegfried den Weg zum Walkürenfelsen, der gleich hinter Fafners Höhle zu liegen scheint. Die Buhs wurden jetzt schon weniger und die Wertschätzung der Sängerleistung schien zu überwiegen.
Im dritten Akt sieht man die Wohnung Fafners gedreht, links davon ist eine große Pyramide aufgebaut, die den Feuerfelsen darstellt. Noch in der Wohnung Fafners kommt es zur Konfrontation zwischen Erda und Wotan. Erda hat ebenfalls ein Kind dabei, das inzwischen größer geworden ist aus den vorherigen Teilen. Erda hat mehrstufig gefärbte lange Haare. Sie ist ungnädig, dass man sie geweckt hat und sagt Wotan den nahenden Untergang voraus. Jung-Hagen und Siegfried scheinen nun beste Freunde, als Siegfried auf Wotan trifft. Wotan will Siegfried vom Feuerfelsen abhalten. Mit seinem Schwert schlägt Siegfried Wotans Waffe, eine Pistole, aus der Hand und verschafft sich so nun Zugang zum Walkürenfelsen. Dieser ist über die Balustrade mit Fafners Wohnung verbunden. Auch bei mir hat es etwas gedauert, bis ich den bärtigen Herren im grauen Anzug als Grane Brünhildes Pferd erkannt hatte. Ich dachte mir nur: viel los heute am Feuerfelsen, Jung-Hagen, Grane, Siegfried, Brünhilde – wo es eigentlich nur zwei Personen sein sollten in dem Moment. Brünhilde steht mit einer Bandage und einer Sonnenbrille und wartet darauf, von Siegfried ausgewickelt zu werden. In einem Spiegel erkennt sie sich. Grane verwehrt nun Siegfried immer wieder den Zugang zum Feuerfelsen und stört die Zweisamkeit am Walkürenfelsen. Beim Anblick von Brünhilde lernt nun Siegfried das Fürchten und verlernt es aber gleich wieder. Sie fesselt den Helden mit der Bandage. Es kommt zu einem Schluss, in der Brünhilde und Siegfried zu gemeinsamen Tätern werden, wie angeblich Bonny und Clyde. Man sieht in einer Vorwegnahme des Staus am Parkplatz, die Scheinwerfer einer Limousine hinter dem Vorhang aufblitzen. Eines ist sicher: Brünhilde und Siegfried haben die Poleposition bei der kommenden Ausfahrt am Walkürenfelsen.
Wie man sieht, kann man trotz der Widrigkeiten der Inszenierung, Spaß an der Darbietung finden. Eine wenig gelungene Inszenierung im Auge einiger Betrachter lässt sich nicht Weg-Buhen. Auch hier gilt: Kinder, macht Neues! Wenn es dann mal nicht so der große Wurf ist, ist das für mich kein Drama. Die Musik bleibt großartig. Andreas Schager als Siegfried hat die Mörderpartie bis zum Ende kraftvoll durchgehalten, Tomasz Konieczny als Wotan hatte sich sichtlich von seiner Verletzung in der Walküre erholt. Alexandra Steiner als Waldvogel durfte ihr schauspielerisches Talent bei den Annäherungsversuchen Siegfrieds entfalten und nicht nur hervorragend singen. Die wahre Retterin der Aufführung war aber Sieglinde in der Herrentoilette des Festspielhauses mit ihren Eisbonbons, die mich vor einem Hustenanfall bei Brünhilds Erweckung bewahrt hat. Heil Dir Sonne, sag ich nur.