Ob die zeitgenössische Musik auch für eine komische Oper taugt? Davon konnte man sich im Fürther Stadttheater ein Bild machen. In Kooperation mit der Hochschule für Musik Nürnberg unter der Leitung von Guido Rumstadt startete dieses Projekt sechsmal. Rumstadt ist dabei kein Unerfahrener in Sachen Glanert, da er auch das Holzschiff in Nürnberg dirigierte. Nach einem Text von Christian Dietrich Grabbe und der Musik von Detlev Glanert durfte man zeitgenössisches Musiktheater erleben. Die Bühne von Peter Engel versetzte einen in ein Commedia dell‘ Arte-ähnliches 19. Jhd mit modernen Anleihen. Auch die Kostüme von Sandra Münchow waren dementsprechend farbenfroh, wobei sich die Figuren marionettenhaft bewegen. Dominik Wilgenbus ist nicht der Erste, der sich an dieses Werk wagt. Es wurde in den letzten 18 Jahren schon elfmal auf die Bühne gebracht. Wie bei jedem modernen Stück braucht es auch hier eine Einführung, damit man dem Geschehen folgen kann. In der Einführung wurde recht lange auf der Vita des Dichters Grabbe verwiesen. In diesem eigentlich bitterbösen Stück bekommt die Bildungselite eine ordentliche Quittung serviert. Nicht gespart wird an Selbstreferenzen des Dichters zu den Bühnenfiguren. Grabbe selbst war verschrien als Bürgerschreck, lebte in der Zeit von 1801 bis 1836. Er hatte also noch Kontakt zu Goethe, der ihn geflissentlich ignorierte, zum Idealismus eines Schiller und zur aufkommenden Romantik. Er selbst lebte in der Biedermeierzeit und dafür ist das Stück sehr böse und nihilistisch. Quintessenz des Abends ist: Es braucht keinen Teufel, um die Gesellschaft an den Abgrund zu führen. Aber nun zum Stück selbst.
Der Teufel ist durch einen höllischen Zufall auf der Erde gelandet. Obwohl es mitten im August ist und alle unter der Hitze leiden, erfriert er auf der, für ihn kalten, Erde. Der Teufel trägt einen warmen Mantel und statt eines Pferdefußes hat er einen roten Plateauschuh an. Außerdem singt er als Countertenor kontinuierlich eine Oktave zu hoch. Aber erst einmal frosten ihn die Temperaturen auf der Erde und mit einem ausgestreckten Bein, wird er zur Untersuchung von vier Forschern mit Schmetterlingsnetzen auf einem gebogenen Tisch untersucht. Die Forscher meinen, es handelt sich um eine deutsche Dichterin. Als er in die Nähe eines Ofens kommt, taut er auf und gibt sich als Oberkirchenrat zu erkennen. Klar hantiert er auch mit Feuer und nutzt eine Oberarmatrappe als Fackel. Unter seiner schwarzen Mütze versteckt er zwei Hörner. Bis zum Schluss kommen die Forscher mit ihren Schmetterlingsnetzen dem Rätsel nicht auf die Spur, wer da vor ihnen gelandet ist. Nach einer weiteren Aufwärmphase in einem gusseisernen Ofen kommt der Teufel auf Hochtouren. Die Baronesse Liddy wird von vier Männern umkreist. Da ist Mordax, der Brutalo mit dem Zylinderhut. Der Teufel fordert ihn auf, 13 Schneiderlehrlinge zu töten, um Liddy zubekommen. Wernthal dagegen hat 700000 Taler Schulden und verkauft seine verlobte Liddy nach einer langen Rechnung für 699999 Taler an den Teufel. Rattengift ist ein erfolgloser Dichter, der sich vom Auftritt im Lopsbrunn den großen Durchbruch erhofft. Einzig Mollfels, der als Wertherkarikatur angelegt ist, mit zwei Briefen von Liddys Bruder aus Florenz aufwartet, hat ehrliche Absichten. Mit blondem Schopf und ständig mit einer Pistole fuchtelnd, ist er aber der mit den geringsten Chancen. Vor dem großen Treffen in Lopsbrunn steht aber erst noch einmal ein großes Besäufnis an. Ein Trunkenbold von einem Schulmeister, der an Riff-Raff aus der Rocky-Horror-Picture-Show erinnert, versucht aus Gottliebchen ein Genie zu ziehen. Gottliebchen wird dabei ausgiebig geprügelt. Eigentlich ist der Schulmeister wieder eine Referenz an Grabbe selbst, der ebenfalls dem Alkohol sehr zusprach. Man inszeniert sowohl musikalisch, als auch visuell einen Rausch auf der Bühne, wobei sich das Schlagwerk steigert. Ein Terzett aus Schulmeister, Rattengift und Wernthal rufen Prost. Mit Videoprojektionen verschwimmen die Protagonisten am hinteren Bühnenrand. Der Teufel greift in die Tasten und es entsteht ein wahrhaft schwer auszuhaltender, höllischer Klang mit Orgel, bei dem die Dorfkirche und das Schulhaus zusammenbrechen. Das war scheinbar einem Großteil des Publikums dann doch etwas zu viel und hat nach dem ersten Akt den Raum verlassen.
Was sie aber dabei versäumt haben, ist ein interessantes Vorspiel im zweiten Akt. An Schnüren hängen 13 Zipfelmützen und man sieht, wie Mordax einen Killer beauftragt, die 13 Schneiderlehrlinge umzubringen. Während des Vorspiels finden im Bühnenhintergrund die Morde statt. Am Ende beseitigt Mordax noch den Auftragskiller. Es kommen wieder die Forscher mit dem Bühnenprospekt und blutigen Binden. Sie zermartern sich nach wie vor den Kopf, wer der erfrorene Fremde war. Der Teufel kann es ja nicht gewesen sein, den gibt es ja nicht. Am rechten Bühnenrand besingen Gottliebchen, der Schulmeister und noch einige andere, die letzte Nacht. Die Forscher stecken ihre Köpfe in eine Modelllandschaft und rätseln weiter. Der Schulmeister stellt dem Teufel nun eine Falle, Gottliebchen wird als Köder missbraucht. Mit dem Satz: „Ich rieche Menschenfleisch“ schnappt die Falle dann auch zu. Man kommt zur Waldszene nach Lopsbrunn, die in gewisser Weise eine Karikatur der Wolfsschlucht vom Freischütz ist. Die Forscher treten nur noch als Insekten auf und rätseln immer noch. Schließlich tritt des Teufels Großmutter auf und klärt auf, dass sie den Teufel aus der Hölle gejagt hat, wegen Putzarbeiten. Eine übergroße Puppe mit Pappbikini und übergroßen Gesicht ist des Teufels Großmutter, zugegebenermaßen ziemlich jung. Am Ende bringt Gottliebchen das Genie alle um, bis auf das Liebespaar und verflucht Liddy und Mollfels. Mit großen Amen-Rufen endet das Stück.
Ob das Ganze jetzt gut war oder eher ganz daneben, liegt im Auge des Betrachters. Mir hat das poppige Biedermeierbühnenbild im Commedia dell’Arte Stil sehr gut gefallen. Es hat mich von der Überdrehtheit an Produktionen aus der Volksbühne Berlin unter Castorf erinnert. Mit der Musik hatte ich wie immer meiner Schwierigkeiten. Manche Stellen, wie der Auftritt von Mollfels waren sehr melodisch, während die Besäufnisszene mit ihrem Hämmern meine Hörgrenzen auslotete. Im Publikum gab die große Masse, die nach dem ersten Akt ausgestiegen ist, aber auch ausgesprochene Fans der Aufführung, die am Ende lange applaudierten. Ich finde das immer bewundernswert, wie man solche Musik nach Noten aufführen kann. Die Hochschule für Musik hat hier meiner Meinung nach eine professionelle Aufführung abgeliefert, die aber beim Großteil des Publikums nicht angekommen ist. Wenn sich immer jemand gefragt hat, wie man einen Rausch auskomponiert, Glanert liefert am Ende des ersten Akts einen musikalischen Beweis. Das Stück hat meiner Ansicht nach viele Bezüge zur Biografie von Grabbe. So ist Gottliebchen der Sohn eines Kerkermeisters und eine Analphabetin, wie die Eltern von Grabbe selbst. Der Dichter begegnet uns sowohl im geschlagenen Gottliebchen als auch im versoffenen Schulmeister oder dem dichtenden Mollfels wieder. Ohne die Einführung wäre das einem sicher entgangen. Dennoch eignet sich moderne Musik meiner Ansicht nach mehr für Tragödien wie das Holzschiff, als für eine Komödie. Die Spannung in moderner Musik passt schlecht zum leichten Sujet.
Quelle: YouTube | Stadttheater Fürth